Die
Nachricht kam selbst für Mode- und Medienschaffende überraschend. Annette
Weber, seit 2007 Chefredakteurin der monatlich erscheinenden Fashiongazette Instyle,
Deutschlands auflagenstärksten Modemagazin, muss ihren Chefsessel für Kerstin Weng,
33, räumen.
Weng, die an der AMD München Modejournalismus studierte, kommt von
Stylight. Einem sich dem e-Commerce zuordnenden Unternehmen mit einer Website, die
vorgibt irgendetwas mit Mode zu tun zu haben, sich aber nicht entscheiden kann,
ob sie nun lieber Suchmaschine, Webshop,
Onlinemagazin oder Streetstyleblog sein will. Ermüdend unübersichtlich und
schmerzlichst oberflächlich.
Weng sollte dem Portal mehr redaktionelle Relevanz
verleihen, es als digitale Medienmarke etablieren, und gab für die Zuwendung zum "Onlinejournalismus" vor knapp einem Jahr ihren
prestigeträchtigen Job als Chefredakteurin der Cosmopolitan nach nicht einmal
zwei Jahren auf. "Ich liebe Print, aber noch mehr liebe ich guten
Journalismus", begründete sie damals offiziell ihre Entscheidung. "Der
Printmarkt ist in weiten Teilen gesättigt, die Sparmaßnahmen der Verlage sind
ganz eindeutige Zeichen dafür", schob sie noch hinterher.
Mit kompetentem
Modejournalismus bringt Stylight allerdings kaum jemand in Verbindung.
Was wohl weniger Weng anzulasten ist, als vielmehr den herrschenden
Unternehmensstrukturen. Nebenbei sei erwähnt, dass keiner der vier Stylight-Gründer etwas mit Mode am Hut hat, wie Weng in einem Interview mit dem Medienmagazin Horizont
selbst einräumte. Durfte Weng nicht so, wie sie gerne wollte? Zu ihrem Einstieg
bei Stylight verkündete sie noch: "Ich
freue mich, als Modejournalistin zu meinen inhaltlichen Wurzeln zurückzukehren
und meine Qualitäten in einem Onlineprodukt, für das ich brenne, einzubringen."
Die Leidenschaft muss schon nach kürzester Zeit auf Sparflamme gelodert haben. Waren
Resonanz und Anerkennung bei Stylight zu gering, oder das Angebot von Burda
einfach zu lukrativ? Weng ist entweder verdammt gut, extrem ehrgeizig
oder einfach strategisch klug vernetzt. Möglicherweise auch alles zusammen. Sicher ist, dass Weng ab dem
01.02.2016 (wieder) für Gedrucktes als auch Digitales rackern wird.
Die
Erwartungshaltung der Mode-Meute ist hoch, weil Webers hinterlassene Fußstapfen
so groß sind. Die Erwartungen des Burda Verlages sind sogar noch um einiges
höher, weil die Verlagsleitung endlich einmal Geld mir ihrem redaktionellen
Online-Klimbim verdienen will.
Manuela Kampp-Wirtz, Chefin der Burda Style Group
und somit aller Frauentitel des Hauses zur neuen Personalie: „Kerstin Weng war
unsere Wunschkandidatin für die Nachfolge von Annette Weber. Sie vereint
journalistisches Gespür und eine große Fashion-Expertise mit digitalem
Know-how. Ihr Auftrag ist es, den Aufbau der Multimedia-Redaktion weiter
voranzutreiben.“
Daraus lässt sich lesen: Der Chefredakteur von heute ist nicht
nur ein exzellenter Schreiber, Experte, sondern auch qualifizierter
Content-Manager. So zumindest die Wunschvorstellungen der leitenden
Verlagshyänen.
Da dass
Herz begabter und passionierter Schreiber aber in der Regel nicht für
Klickraten schlägt, und technikbegeisterte Social-Media-Connaisseure in der
Regel kein Talent für schöngeistige Formulierungen haben, bleibt es fraglich, ob
der Trend zur Vereinheitlichung von Print- und Onlineredaktion überhaupt
zukunftsfähig ist. Im Falle von " Netti" Weber steht eine namhafte Gefolgschaft aus Branchenleuten hinter ihr, die ihren Unmut über den Switch bereits auf Facebook öffentlich gemacht hat. Ob Instyle seine Relevanz als Trendbibel ohne Annette Weber halten kann?