Donnerstag, 2. Oktober 2014

Dem Adel gefällt das: Frau von Taubes anbiederndes Stil-Gefasel

Dagmar von Taube "Wir leben hier wie auf dem Mond"

Wie schön für die adeligen Besitzer, die für ihren schönen Besitz nie arbeiten  mussten, und den ach so schwierigen Wandel der Zeit (wieso ist dieser schwierig, und für wen, für die Portraitierten in diesem Beitrag ja ganz sicher nicht) "stilvoll" an sich vorbeiziehen lassen können. 

So sehr die Autorin Dagmar von Taube von ihrer Clique namhafter Berliner Kultursnobs für ihre im Stilmagazin "Icon" erschienene Homestory auf Facebook* auch beklatscht wird, ich frage mich, was sie dem Leser damit eigentlich sagen will. 

Etwa das jeder, der seine Wohnung nicht mit Erbstücken möblieren kann, ein neureicher und somit unkultivierter Emporkömmling ist? Das Eingangs in ihrem Text eingebaute englische Zitat, "Imagine, the poor guy, he had to buy his own furniture!", lässt dies zumindest vermuten. Inhaltlich völlig abstrus ist insbesondere der gesamte sechste Absatz ihres Artikels:

Dagmar von Taube in ihrem Artikel
"Wir leben hier wie auf dem Mond"


Das Bewusstsein alles verlieren zu können, ist wohl weniger ein Privileg, als vielmehr eine Eigenschaft, und die lässt sich bei Vertretern aller Gesellschaftsschichten finden. Auch Nicht-Aristokraten verstehen sich auf die Wahrung von Stil in Zeiten der finanziellen Ebbe, und avancieren deshalb nicht gleich zu Proleten. Wie die Bewohner des von Frau von Taube beschriebenen Palazzos selbst erkannt haben, wohnen sie in einem Elfenbeinturm. "Wie auf dem Mond", sagt die Hausherrin und findet es einfach nur "herrlich." Doch in welch' geistigen Elfenbeinturm sitzt eigentlich der Axel-Springer-Verlag, oder Icon-Redaktionsleitern Inga Griese, um nicht zu merken, dass solch eine dünkelhafte Stilideologie völlig an der Lebensrealität arbeitender Menschen und dem Zeitgeist vorbeigeht?


*Aufmerksam wurde ich auf Frau von Taubes Adelshymne über die "Gefällt mir-Angabe" eines gemeinsamen Kontakts auf Facebook, und war entsetzt über den platten, weil unreflektierten Zuspruch, den sie dafür von einigen illustren Zeitgenossen aus ihrem Netzwerk erhielt. Auch Josef Voelk, Inhaber des Berliner Concept Stores "The Corner" und Verlegerin Angelika Taschen drückten, sehr zu meiner Verwunderung, auf den Like-Button. Denn, würde sich jeder nur noch mit Erbstücken umgeben, ob Möbel oder Kleidung, und neuen Sachen abschwören, würde Voelk nichts mehr verkaufen und niemand mehr Frau Taschens Bücher über zeitgenössisches Design lesen. Dass sich ausgerechnet Selfmade-Millionäre, wie Voelk und Taschen, für die Privilegien und die Blasiertheit des Adels begeistern können, kann ich mir nur mit einem geringen Selbstwertgefühl und/oder dem Streben nach etwas, dass sich mit Geld nicht kaufen lässt, erklären. Berlinerisch cool und kosmopolitisch, wie sich die beiden in Interviews gerne geben, ist diese Haltung allerdings nicht.